Inhalt
Vorwort
Einleitung
Forschungsstand
Zum Verhältnis zwischen
Literatur und Film
Frears - Laclos  - 
Der Vergleich
Eigene Gestaltungsmittel
des Films
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang

1. EINLEITUNG

Die Liaisons Dangereuses des Pierre-Ambroise Choderlos de Laclos wurden im Jahre 1782 veröffentlicht und verursachten augenblicklich einen Skandal. Die erste Auflage von 2000 Stück war, so Michel Delon, binnen weniger Tage vergriffen (1). Insgesamt erreichte der Roman bis 1800 eine Auflage von 50000 Stück und erreichte damit nach Rousseaus Nouvelle Héloďse den größten Auflageerfolg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In wenigen Jahren verbreitete sich der Roman in ganz Europa, allein schon bedingt durch den Skandal, den er verursachte. Delon zufolge wurde er erst zur Zeit der Restauration gerichtlich als "outrage contre les bonnes moeurs" verboten.(2) Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhundert schenkte man ihm sowohl in der Forschung als auch in bezug auf die Verarbeitung seines Stoffes wieder größere Beachtung.

Zwei Adaptionen des Stoffs erschienen bereits kurz nach der Veröffentlichung des Romans: die Versdichtung namens Les derniers moments de la Présidente de Tourvel (1786) und eine Theaterversion von 1783. Weitere gab es erst sehr viel später: 1834, 1907 und 1950/52.(3) Dagegen sind bereits in diesem Jahrhundert allein vier Filme entstanden, die den Roman zur Grundlage haben. Vor Frears und Forman hatte sich 1960 bereits Roger Vadim an diesem Stoff versucht und ihn in die damalige Gegenwart übertragen, wie der Titel Les Liaisons dangereuses 1960(4) bereits deutlich macht. Vadim überträgt hier die Handlung in das Paris von 1960, in die gesellschaftlichen Verhältnisse im Paris dieser Zeit. 1979/80 gibt es dann eine Fernsehfassung von Charles Brabant, in der er das Leben Laclos' und die Liaisons Dangereuses zu einem Handlungsgefüge verarbeitet. Auch eine Oper von Claude Prey entstand im Jahr 1974. In den achtziger Jahren sind dann zwei wichtige Theaterfassungen des Stoffes entstanden, und zwar 1980 das Stück Quartett von Heiner Müller und im selben Jahr die Liaisons Dangereuses von Christopher Hampton, die er mit der Royal Shakespeare Company in Stratford-upon-Avon inszenierte. Die Fassung von Hampton, die dieser später auch am Broadway inszenierte, war auch der Grund, warum fast gleichzeitig zwei Filme nach dem Roman entstanden. Miloš Forman hatte das Stück am Broadway gesehen, interessierte sich für den Stoff und versuchte zunächst, die Filmrechte zu bekommen, bis er sich dann entschloß, seinen Film nicht auf der Basis von Hamptons Stück, sondern nach eigenen Ideen zu drehen. Hampton dagegen wollte gleichzeitig mit den Rechten an seiner Fassung auch seine Arbeit am Drehbuch verkaufen, und es gelang ihm wenig später, seine Produktionsfirma zu überreden, Frears als Regisseur zu verpflichten. Hampton beschreibt dies ausführlich in seiner Einführung "My Dinner with Miloš" zur 1989 in London erschienenen Drehbuchfassung, die sich durchaus stark vom Theaterstück unterscheidet. (5) Interessante Erkenntnisse über die Unterschiede zur Theaterversion und zu Formans Verfilmung gewinnt man auch in den Beiträgen zum 'Film Forum' der Zeitschrift Eighteenth Century Life.

Diese Arbeit soll Schritt für Schritt die Elemente des Romans mit denen des Films vergleichen. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf die Problematik der Literaturverfilmung besonders bei Briefromanen gerichtet sein. Ebenso wird die Beurteilung von Frears' Film im Kontext seiner anderen Filme eine gewisse Rolle spielen, da sie an einigen Stellen Berührungspunkte mit dieser Verfilmung haben.

Der Vergleich der Frears-Verfilmung mit der Version von Forman soll ebenfalls - wenn auch nur am Rande - seinen Platz finden, ebenso wie der Vergleich mit den anderen Verfilmungen, soweit diese Filme verfügbar sind. Wichtiger insbesondere für die Stoffgeschichte ist jedoch der Vergleich mit der Theaterfassung von Christopher Hampton, der deshalb in einem eigenen Abschnitt behandelt wird.

Zur Vorgehensweise ist noch folgendes zu bemerken: Grundlage der Filmanalyse war zunächst die Erstellung eines Filmprotokolls nach Faulstich(6), das im Anhang dieser Arbeit zu finden ist. Die Erstellung eines Filmprotokolls anhand des fertigen Produkts 'Film' ist notwendig, da das veröffentlichte Screenplay (Drehbuch) im wesentlichen nur eine Wiedergabe der Dialoge ist, verbunden mit einigen erzählerischen Handlungsbeschreibungen, Regieanweisungen und gelegentlichen Angaben zum Bildausschnitt und Einstellungslängen, -größen, Kameraführung, Perspektiven sowie Angaben zu Musik und Geräuschen nicht berücksichtigt.

Die Form des Filmprotokolls lehnt sich an die von Faulstich verwendete an, da diese - wenn auch schwieriger lesbar als die von Alfred Weber vorgeschlagene Form (7) - relativ einfach zu gestalten ist und das Filmprotokoll lediglich ein Hilfsmittel und nicht den Zweck der Arbeit darstellt. Auf dieses Filmprotokoll beziehen sich auch alle Angaben zu den Einstellungen.

Basis des Filmprotokolls war neben dem englischsprachigen Screenplay zunächst die deutsche Synchronisation der DANGEROUS LIAISONS als Videocassette, bis die französische verfügbar war. Das Filmprotokoll wurde jedoch, soweit Unterschiede zwischen der französischen und der deutschen Version bestanden, an die französische Version angeglichen, die auch Grundlage aller sprachlichen Vergleiche war. Die französische Synchronisation wurde ausgewählt, um einen direkten sprachlichen Vergleich von Film und literarischer Vorlage zu ermöglichen. Der Bezug zum filmischen Original mußte deshalb zurückstehen, war aber indirekt durch die ständige Verfügbarkeit der englischsprachigen Dialoge im Screenplay und den damit möglichen Vergleich gegeben. Die Problematik der Verwendung dieser Synchronisation wird auch im Abschnitt 4.3. diskutiert.

Szenenfoto 1 mit Glenn Close als Merteuil (E 406) (aus: Dangerous Liaisons: the film)

 

Szenenfoto 2 mit John Malkovich als Valmont und Michelle Pfeiffer als Mme de Tourvel (E 362) (aus: Dangerous Liaisons: the film)

 

(1) Michel Delon, P.-A. Choderlos des Laclos: Les Liaisons Dangereuses, Paris
(Presses Univ. de France, Coll. Etudes Littéraires) 21990, S. 104.
(2) Delon (1990), S. 104.
(3) Delon (1990), S. 113.
(4) Zum Titel berichtet Delon, daß Vadim erst durch einen von der Société des Gens de Lettres angestrengten Prozeß gezwungen wurde, dem Titel die Jahreszahl '1960' hinzuzufügen (Delon (1990), S. 111).
(5) Ch. Hampton, "My Dinner with Miloš", in: Dangerous Liaisons: the Screenplay, London (Faber & Faber) 1989.
(6) Werner Faulstich, Einführung in die Filmanalyse, Tübingen (Narr) 1976.
(7) Alfred Weber, "Mögliche Formen und Funktionen des Filmtranskripts" in : A. Weber/B. Friedl., Film und Literatur in Amerika, Darmstadt (Wissenschaftl. Buchgesellschaft) 1988, S 243-253.

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